Nachdruck aus ADIZ / Die Biene / Imkerfreund, Jahrgang 137, Mai 2001, S. 24 - 26, mit freundlicher Genehmigung des Verlags DLV. Artikel und Abbildungen dürfen ohne Zustimmung des Autors nicht an anderer Stelle - außer zu Zwecken der Bewertung - veröffentlicht, vervielfältigt oder elektronisch weitergeleitet werden.Hinweis:
Die Bilder im diesem Artikel zeigen den Prototyp des Schwarmfangkastens, der noch aus Pappe war. Der zum Versand kommende Kasten ist aus braunen Kunststoff und besitzt zusätzlich eine Klettsicherung am Boden.
Schwarmfangkasten und High-Tech-Management Dr. Ulrich Finkenzeller Mit einer japanischen Methode wird ein neuartiger Schwarmfangkasten entwickelt
„Können Sie auch einen Schwarmfangkasten machen?“ fragte ich einen Hersteller von Kartonagen und Spezialverpackungen in der Nähe von Frankfurt bei einem Aufenthalt in der Entwicklungsabteilung. „Warum nicht, wenn Sie uns sagen was ein Schwarmfangkasten ist und wie er auszusehen hat machen wir Ihnen einen!“ antwortete mir der Entwicklungsleiter selbstbewusst. Was mit diesem etwas ironischen Dialog im Sommer des Jahres 2000 begann hat in der Zwischenzeit zu einem ganz neuen, etwas ungewöhnlichen Produkt für die Schwarmzeit geführt. Und dem Wunsch befreundeter Imker nachkommend möchte ich die Geschichte dieses Schwarmfangkastens gerne etwas ausführlicher erzählen.
Imker in allen Lebenslagen
Zur Imkerei bin ich über meinen Großvater gekommen, der als Zimmermann in Oberbayern ein sehr ansprechendes Bienenhaus hatte. Noch heute erinnere ich mich an den Geruch nach Bienen und Holz in seinem Reich. Aber erst im Alter von 40 Jahren wurde ich selbst Freizeitimker in Nordbaden. Für mich ist heute die Beschäftigung mit meinen 6 Bienenvölkern ein Ausgleich bei meiner „richtigen“ Arbeit. Beruflich bin ich Unternehmensberater mit dem Schwerpunkt Qualitäts-, Entwicklungs- und Innovationsmanagement in mittleren und größeren Firmen, die hauptsächlich in der Hochtechnologie (Halbleiterfertigung, Raumfahrt, u.a.) angesiedelt sind. Für die Produktentwicklung gibt es dabei moderne Methoden, die – richtig angewandt – zu Innovationen führen können. „Warum sollte das, was bei Texas Instruments in Dallas funktioniert, nicht auch für den Berufs- und Hobby-Imker nutzbar sein?“ fragte ich mich eines Tages.Methode und Werkzeug
Mit diesen Überlegungen im Kopf hatte ich damals dem Produktionsleiter J. Martin die Frage nach dem Schwarmfangkasten gestellt. Der Kartonagenhersteller hatte ein Qualitätsmanagementsystem (nach dem sog. DIN 9001 Standard) eingeführt. Wir wollten in diesem Rahmen versuchsweise eine High-Tech-Entwicklungsmethode für die „Festlegung der Merkmale eines neuartigen Produktes“ einzusetzen. Dies sollte der Schwarmfangkasten sein. Wir waren alle sehr gespannt und auch etwas unsicher über das zu erwartende Ergebnis. So ein Projekt war noch nicht da gewesen. Ich glaube, dass es heute noch einmalig in der eher etwas konservativen Welt der Imker ist.
Ich entschied mich für ein Verfahren, das unter der englischen Abkürzung „QFD“ (Quality Function Deployment) bekannt ist. Es kommt aber ursprünglich aus Japan, wo es im Kaizen-Umfeld „Hinshitsu Kino Tenkai“ heißt (wörtlich übersetzt bedeutet das „strategische Positionierung und Entfaltung der Qualitätsfunktionen“).QFD ist eine Methode zur Einbindung der Kundenwünsche (hier der Imker) in den gesamten Prozess der Produkterstellung. Die Kundenanforderungen (WAS) werden dabei von den technischen Lösungsmerkmalen (WIE) sehr strikt getrennt. Dies verhindert, dass ohne genaue Kenntnisse der Kundenanforderungen sofort und unüberlegt drauflos entwickelt wird und der Ingenieur – und nicht der Kunde – sagt wo es lang geht. Mittels der neuen Technik werden die Anforderungen schrittweise in Merkmale, Einzelteile oder durchzuführende Tätigkeiten übersetzt.
Man arbeitet dabei am besten in gut gemischten Gruppen, geleitet von einem unparteiischen Vorsitzenden, der für die Einhaltung einiger Spielregeln verantwortlich ist. Dieser Moderator war ich. Zwar hatte ich bereits schon Vorstellungen (als Kunde oder Imker) was so in etwa herauskommen sollte, aber um auch meiner Moderatorenrolle gerecht zu werden wollte ich als formalen „Kunden“ noch einen weiteren erfahrenen Imker mit dabei haben. Mein Wahl fiel dabei auf einen guten Bekannten aus meinem nordbadischen Imkerverein Edingen-Neckarhausen, Herrn Ernst Neuwirth. Außerdem steuerte der Vereinsvorsitzende, Imkermeister Vitus Thaler, dem Projekt einen alten Kunstschwarm-Pappkasten mit Trichtervorrichtung bei, der vor vielen Jahren im badischen Raum erhältlich war und bei der Bekämpfung der Faulbrut eingesetzt wurde. Dieser Kasten war das, was man den „Stand der Technik“ nennt. So gerüstet konnten wir endlich beginnen.Spezialisten schreiten zur Tat
Was vor uns lag waren mehrere Abschnitte. Die Frage „Was will der Imker?“ musste zuerst beantwortet werden. Die Behandlung von „Was bedeutet das für die Form und Funktion des neuen Schwarmfangkastens?“ war dann an der Reihe.
In einem ersten Treffen kamen Imker, Entwickler, Produktionsleiter, Qualitätsmanagementbeauftragter, ein Marketingfachmann und der Moderator zusammen. Auch der Geschäftsführer folgte neugierig dem, was jetzt passierte. Es wurde erklärt, wozu ein Schwarmfangkasten dient, wie der Stand der Technik ist: bekannte Schwarmfangkästen aus Holz oder Pappe sind sperrig, nicht gerade leicht und bestehen aus mehreren Teilen. Die Wünsche und Forderungen an einen neuartigen Schwarmfangkasten wurden diskutiert und aufgeschrieben. Folgende Forderungen wurden an den modernen Schwarmfangkasten von heute gestellt:
- soll stabil sein
- wiederverwendbar
- 1-Hand-Bedienbarkeit
- leicht zu öffnen / schließen
- ausreichende Größe
- geringes Eigengewicht
- gut zu tragen wenn voll
- muss bienendicht sein
- verschließbares Flugloch
- muss innen Bienen Halt bieten
- muss Lüftungsvorrichtung haben
- resistent gegen Nagen
- wenn möglich Aufhängevorrichtung
- soll auch Kunstschwarmbildung ermöglichen
- nässefest, da der Schwarm vielleicht eingesprüht wird
- besteht aus nur einem Teil
- gut zu verstauen und aufzubewahren (PKW oder Bienenstand)
- gut zu verpacken und zu versenden
- leicht auf- und abbaubar
- umweltfreundliche / ungiftige Materialien
- leicht bedruckbar
- gutes Preis/Leistungsverhältnis
Das war eine harte Nuss! Nicht alle Forderungen sind dabei aber gleich wichtig: natürlich ist „muss bienendicht sein“ viel bedeutender als „leicht bedruckbar“. Hier war uns allen klar, dass herkömmliche Schwarmfangkästen „nicht alles unter einen Hut“ bekommen und eine Neuentwicklung, die vielleicht 90 % der Forderungen abdeckt, auf positive Resonanz der Imker stoßen sollte.Ein Produkt wird geboren
In der zweiten Phase des Projektes waren dann die Spezialisten gefragt. Zu diesem Zeitpunkt wussten sie bereits schon recht genau, was ein Schwarmfangkasten ist und wie man ihn verwendet. Die Vorgaben an die Entwicklung , die sich aus den Forderungen ableiten lassen, waren folgende:
- Realisierung mit möglichst nur einem einzigen Teil ohne lose Komponenten
- Ausführung ohne Verklebungen für Auf- und Abbau
- Verwendung von Kunststoff oder anderem geeigneten Material (Feuchtigkeit macht Pappe über kurz oder lang unbrauchbar und Bienen können sich vielleicht durchnagen).
- Alle Schlitze < 2.5 mm um ein Entweichen der Bienen zu verhindern
- Ca. 100 cm² Belüftungsfläche
- Gewicht < 500g
- Integrierter Handgriff
- Bienengerechte Farbe
- Funktionelle Verpackung für Aufbewahrung und Versand
In der nächsten Phase wurden Prototypen hergestellt, die von allen Teilnehmern kritisch beurteilt wurden. Bei den unvermeidlichen Änderungen fanden nicht alle Lösungsvorschläge der Ingenieure die Zustimmung der Imker, und nicht alle Vorschläge der Imker fanden Begeisterung. Aber nach einigen Wochen ausdauernder Arbeit war das Produkt fertig: Ein „Schwarmfangkasten des dritten Jahrtausends“.Entstanden ist ein extrem leichter, stabiler, dauerhafter und mit einer Hand zu bedienender Schwarmfangkasten. Der Kasten ist ein „Patentkarton“, gefertigt aus einem einzigen Stück Spezialmaterial, der in Sekunden auf- und abgebaut ist. Er kann völlig flach gemacht werden (Maße ca. 1 x 50 x 60 cm) und ist aufgestellt ein Würfel von ca. 30 cm Kantenlänge. Alles passt wie ein großer Kalender in eine Mappe aus Pappe mit zwei Grifflaschen. Viele kleine Zusatzfunktionen sind in den Wochen der Entwicklung in den Kasten hineingezaubert worden:
Ausblick
- Der Kasten hat einen integrierten Griff, der – nach zunächst vielen unbrauchbaren Ansätzen – inzwischen sehr stabil ist.
- Er steht auf allen 6 Seiten, auch auf der Griffseite (!). Er kann also für ein direktes Einschlagen am Boden abgestellt werden.
- Der Bodendeckel arretiert sowohl in der offenen als auch in der geschlossenen Stellung.
- Der Schlitz des Fluglochs kann mit einer Lasche leicht verschlossen werden.
- Dieser Fluglochverschluss lässt sich sowohl im Zustand „offen“ und als auch „geschlossen“ feststellen.
- Wer möchte, kann ein eigenes kleines Absperrgitter vor dem Flugloch befestigen.
- Die Innenseite des Griffes ist gleichzeitig eine vorgegebene Struktur für den Baubeginn des Schwarmes im Kasten.
- Die gestanzten Lüftungsschlitze bekamen Stege, um ein Nachgeben (bienendicht!) beim Handhaben zu vermeiden.
- Die Verpackung kann als „Zelt“ den aufgebauten Schwarmfangkasten vor direkter Sonneneinstrahlung schützen.
- Der Kasten kann abgebaut leicht transportiert und gut gelagert werden. Er ist in dieser Form z.B. auch für die Ausrüstung von Feuerwehrfahrzeugen geeignet.
Wie ging es dann weiter? Idee und Muster sind die eine, die Nutzbarmachung der Entwicklung für einen breiten Kreis die andere Seite eines Projektes. Ein Patentanwalt hat für den Schwarmfangkasten und naheliegende Variationen Schutzrechte beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt. Und durch viele ermutigende Kommentare von Imkerkollegen habe ich mich schließlich entschlossen, die nicht gerade kleinen Beträge für Werkzeuge und Material zu investieren und eine Fertigung zu riskieren. Der Kasten kann ab April 2001 im Direkt-Vertrieb bezogen werden. Wir haben ihn übrigens APINOVA (von apis = Biene und nova = neu) genannt.Im Zusammenhang mit der Durchführung der Entwicklung habe ich auch viele überraschende, merkwürdige und zum Teil auch heitere Erfahrungen gemacht, besonders auf dem Gebiet mit Patenten im Imkereiumfeld, Warenzeichen, oder bei Recherchen zur Bienenkunde im Internet. Zunächst stand hier jedoch ausschließlich der Spass an einem neuen nützlichen Produkt im Vordergrund und die Erkenntnis, dass es sich vielleicht lohnt, auch moderne Managementmethoden in der Imkerei zu verwenden. Die Zukunft wird zeigen, ob das Projekt für die Imker und alle anderen Beteiligten ein glückliches Ende finden wird.